Foto: Privatarchiv
Aus dem Montenegrinischen von Elvira Veselinović
I
Was wissen wir überhaupt
über Äpfel?
So manches
über Sorten
Samen, Bäume
und Früchte.
II
Aber was wissen wir eigentlich
über sie,
über ihr Innenleben
über den Aberglauben der Äpfel?
III
Noch nie
hat jemand
einen genauen Stammbaum eines Apfels
angefertigt.
IV
Als der Heilige Aquila aus Pontus
das Alte Testament
aus dem Hebräischen ins Griechische übersetzte
wurde aus dem Apfelbaum
der Baum der Erkenntnis von Gut und Böse.
V
Der erste Apfel
der einfach so
zu Boden fiel
begann an alles Mögliche zu glauben.
VI
Der Apfel
fällt nicht weit vom Stamm.
Das wusste schon Isaac Newton.
VII
Er wusste noch etwas:
er fällt immer
senkrecht zu Boden.
Doch er wusste nicht warum.
VIII
Der Rest ist Geschichte.
Seitdem bildet sich
der Apfel alles Mögliche ein
da er zur Voraussetzung
für Newtons Entdeckung geworden ist.
IX
Die Äpfel glauben immer noch
dass der Fall nicht die Frucht
des Zufalls ist –
Er ist absichtlich gefallen
um Sir Isaac zu erleuchten.
X
Zunächst waren alle
Äpfel grün.
Dann geschahen Dinge
über deren Ursache wir nicht viel wissen.
Grüne Äpfel begannen
mit der Zeit gelb zu werden.
XI
Als Dionysos
Aphrodite einen Apfel anbot,
errötete der Apfel.
XII
Der trojanische Krieg
(über den wir
soviel wissen wie uns der
blinde Homer offenbart hat)
brach aus wegen
eines einzigen Apfels.
Allerdings eines goldenen.
XIII
Helena, Göttin!
Man sagt, Gold sei unsterblich,
und Alchemie unfehlbar.
XIV
Ein Schlitzohr hat wohl
den Apfel davon überzeugt
dass er das Leben des Menschen verlängern könne.
Viele haben seitdem
Äpfel erbrochen
im verrückten Wunsch nach Ewigkeit.
XV
Was wissen wir überhaupt
über Äpfel?
So manches
über Sorten
Samen, Bäume
und Früchte.
XVI
Aber was wissen wir eigentlich
über sie,
über ihr Innenleben
über den Aberglauben der Äpfel?
FESTIVAL DER GENERIERTEN POESIE
I
Man sagt, die künstliche Intelligenz
werde schon bald unsere Gedichte schreiben
so präzise so intensiv erlebt
dass ein dichter überhaupt nicht mehr
leiden muss
oder eigentlich überhaupt
nicht mehr existieren muss
II
In Verse die wir
eher erahnt als aufgesagt haben
wird der Computer Korrekturen einfügen
wo der Bleistift erbebt
wird das Programm einen Befehl ausführen
ruhig wie die Hand
beim Zuziehen der Schlinge
III
Unsere Existenz wird auf bloße
physiologische Bedürfnisse reduziert
sie werden Softwareanwendungen einspannen
und diese zu erstklassigen
Spracharchäologen machen
unseren Gedichten werden sie
ganz andere Namen geben
vor unseren Augen werden sie Poesie erschaffen
die zu lesen wir nicht in der Lage sein werden
IV
Ich stelle mir schon die Rechner vor
nach einem Festival generierter Poesie
wie sie in der Kneipe trinken
über Dante und Njegoš diskutieren
lange Reden halten
über Troubadoure und Prosodie
und sich betrunken über Sonette
und patriotische Lyrik lustig machen
UNAUSGESPROCHEN
ie strömen dir durch den Rachen
die Feuerstimmen
im Flussbett
ertränkst du sie
unter der Zunge
Das angeschwollene Wasser
die blauen Lippen
an der Mündung du
unausgesprochen
Nebenfluss