Ohooo!

He!

Na, du!

Guten Tag. Wie geht es Ihnen?

Gestern noch hab ich nach dir gefragt.

Echt? Na, wen denn?

Deine Freundin war bei mir, und ich hab gefragt, ob du abgenommen hast, ob du geheiratet hast, Kinder bekommen?

?

Wie gut du in der Schule warst …

Und jetzt … sehen Sie …

***

Wie viele Seiten reichen aus, um einen Preis zu bekommen? Vielleicht, wenn man den Text anders formatiert, mit mehr Zeilenabstand … vielleicht!

Die Urne

  1. Wird man von dort, wo ich beerdigt werde, das Meer sehen können?
  • Werden meine fiktiven Kinder mich dort beerdigen, wo es für sie in dem Moment am praktischsten ist, während sie ihr amerikanisches Leben leben?
  • Werden sie sagen, na ja, es ist besser, sie hier zu begraben, wir haben ja gar keine Zeit, jetzt da hochzufahren oder aber es gehört sich einfach, da und da begraben zu werden?
  • Werden sie eine Sprache sprechen, die ich verstehe?
  • Wird mich dann jemand lieben?

***

Werde ich jemals mein eigenes Buch signieren?

Weltliteratur, n. f., Substantiv, weiblich, deutsch – der Staubsauger lief lange, während ich Die Leiden des jungen Werther las, eingesperrt in meinem Zimmer.

            Den Zauberberg habe ich nie zu Ende gelesen. Ich habe ein paarmal angefangen. Auf Serbisch, Französisch, Englisch. Manchmal las ich ein paar Seiten, manchmal ein paar Kapitel. Dabei blieb es dann. Ein paar Sätze aus der Dachkammer von Danilo Kiš würde ich dem noch hinzufügen, falls das zählt. Außerdem nannten wir einen hübschen Jungen in der Schule Tadzio. Nach dem Regen stank es aus der Kanalisation – bestimmt ganz ähnlich wie in Venedig, wo ich noch nie war – während ich ihn anschaute, wie er bis zum Knie in den Pfützen versank. Ich weiß nicht, ob er heute noch Tadzio ist und ob er Kinder hat.

***

            Während der Trauerzeit bleibt der Fernseher aus. Vierzig Tage. Quarantena. Einst war das der Zeitraum, den die Seeleute außerhalb der Stadtmauern verbringen mussten, um nicht die Pest einzuschleppen, heute eine angemessene Trauerphase. Im kleinen Wohnzimmer steht ein schwarzer Gegenstand in der Ecke. Ausgeschaltet. Man konnte neben ihm sitzen und lesen, bis zum Erbrechen. Die Ecke der Couch war leer, aber unbequem. Werther. Die Buddenbrooks. Kafka. Hesse.

***

Erst wenn die Erinnerungen Blut werden, kann ein Vers entstehen, sagt Rilke. Manchmal lese ich in der Geschichte der deutschen Literatur und frage mich, wie es sich lebt, so ganz ohne Furcht vor diesen langen Wörtern.

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Hermann Broch hat sein erstes Buch mit fünfundvierzig veröffentlicht, aber mir glaubt niemand, dass Deutsch schöner ist als Französisch.

Freunde X

Wir reden nicht miteinander, da ihr eine Wahrsagerin gesagt hat, ich hätte sie verflucht. So wurde es mir berichtet. Sie hat mir ein Buch von Nietzsche gekauft.

Ich hab es nicht gelesen. Egal, während ich über die gleichen Steine lief wie er, an der französischen Riviera, träumte ich, ich sei eine Über-Frau. Ich konnte ja nicht ahnen, dass ich Jahre später einen Pinsel in der Hand haltend in der weißen Farbe Gott suchen würde, auf dem Zeichenkarton, der sich vor Feuchtigkeit krümmte.

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Einen Fluch über jemanden legen, vermag ich gar nicht. Außer über mich selbst. Einmal sagten sie mir wärst du nicht gekommen, hätte dich der Teufel geholt. Vielleicht bin ich ja die Über-Frau, die ganze Zeit.

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Ich vergesse oft, dass es in Deutschland auch ein Meer gibt. Blau ist kalt.

Erstes Geschlecht XI

Ich träume, dass mich verschiedene Männer umarmen. Nächtelang. Ich kenne sie nicht. Ihre Gesichter sind trüb. Einer hat eine Glatze. Der andere ist dürr. Die Augenfarben weiß ich nicht, außer, dass ich Frieden spüre. Am Morgen ist alles gleich.

Leben

Anica Savić Rebac hatte ein Buch mit dem Datum des zweiten Oktober gezeichnet. Auf der nächsten Seite, in der Anmerkung des Herausgebers, steht, sie sei am siebten Oktober desselben Jahres gestorben. Innerhalb von fünf Tagen wurde eine Entscheidung getroffen. Kann ein leeres Zimmer Glück bringen, per se?

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Sie zitierte Mallarmé, damit alles auf ein Buch hinauslief.

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Sie hatte Njegošs Der Strahl des Mikrokosmos ins Englische übersetzt; zur selben Zeit rannte mein Papa über die Steine, rannte und lernte Denken. Das Aneurysma verkapselte sich seelenruhig im Kleinhirn. Mama würde erst viel später in Erscheinung treten. Sie wird keine Milch mögen und nur Tee trinken. Obwohl man ihr wenig Überlebenschancen ausrechnete, beschloss sie zu leben, im Gegensatz zu Anica.

Oxymoron

Kann es in unserer Kultur ein authentisches Ich geben?

Njegoš

            Radulovićs Njegoš aus Zogovićs Gedicht wartet auf die Bücher, die der Habsburger Zoll einbehalten hat. Das Zollgebäude existiert noch heute, zugewuchert mit Bäumen, die aus Fenstern und Türen ragen, in der dreizehnten Kurve von Kotor nach Cetinje. Ich weiß nicht, wie die Räume aufgeteilt waren und auch nicht, in welcher Ecke vierhundert Bücher, aus schierer Bosheit einbehalten, vor sich hin schmachteten. Hätte ich als Kind, benommen vom Höhenunterschied, die Zahl Dreizehn zwischen den Schultern meines Vaters und meines Onkels gesehen, hätte ich gewusst, dass wir uns in der Nähe eines Hauses befanden, das kein Haus war – wie sie beide betonten. Ich habe das Problem nicht verstanden, aber ich war immer froh, wenn diese Serpentine vorbei war und nicht mehr viele übrig bleiben. Dann war das Meer nah.

***

Jahre später lese ich, wie Andrićs Njegoš bei seinem Sekretär jammert, wenn er sich doch nur rasieren könnte.

***

Mich hingegen interessiert, was wohl seine Lieblingsspeise war.

***

Würde er sich wohl fragen, warum im Staat die rosafarbenen Rasierer teurer sind als die blauen?

Erstes Geschlecht XII

            Bist du fertig?

            Nein.

            Nun, ich weiß echt nicht mehr, was ich noch machen soll.

            Niemand weiß das.

Musen

            Die weiße Zimmerdecke wirkt niedrig. Das frenetische Geklimper auf der Tastatur zu meiner Rechten. Ich dachte, er sähe mich nicht, während ich auf die eklige Couch sehe, in einer breiten V-Form, wie sie auch Brüste machen.

            Erst später wurde mein über Kopf geknickter Körper über der Sofakante zu seinem Vers. Mir kam es gar nicht in den Sinn, dass ich vielleicht auch schreiben konnte. Im Gegensatz zu ihm sah ich mich selbst gar nicht.

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            Ich stelle mir einen Mann vor, den ich nicht hassen werde. Wo der wohl beerdigt werden wird?

Erstes Geschlecht XIII

            Du hast eine Glatze?

            Warum?

            Mir gefällt, dass du dem Verfall preisgegeben bist wie alle anderen Menschen auch.

Laster

Brunetière nannte das Schreiben über sich selbst ein typisch französisches Laster. Obwohl ich nicht in Lyon aufgewachsen bin, wählte die Sprache mich aus, bevor ich sie auswählte. Ich weiß nicht, ob meine Uroma es bereute, dass sie nicht dorthin gezogen war. Frankreich ist zu weit weg, das muss ich ihr lassen, obwohl es dort keine Kasus gibt.

Das Ego ist eigentlich Fiktion.

Erstes Geschlecht VIII

Zum ersten Mal senkte ich den Blick vom Kopf zu den Beinen. Zwei Schenkel sind seine, einer ist meiner.

NICHT

  1. Kaffee trinken! Davon wächst Kindern ein Schwanz.
  2. Mit Wachs spielen! Sonst machst du in die Hose.
  3. Die Krümel mit der Hand aufsammeln! Da hast du einen Lappen.
  4. Nachts den Müll wegbringen!
  5. Jemanden über der Türschwelle zur Begrüßung küssen!

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Durch meinen Gehorsam drückte ich Ungehorsam aus, sagte Marguerite Duras. Anstatt zu lernen, versuche ich, meinen Sauerteig zu füttern. Liebhaber sind nach wie vor eine überschätzte Erfahrung.

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Einst wollte ich, dass das zweite Buch Seobe von Crnjanski nie zu Ende geht. Ebenso gern spielte ich Fußball, obwohl ich Angst hatte, mir ein Bein zu brechen. Jedenfalls sprang mein Knöchel mehrfach aus dem Gelenk. Genau wie ich. Die Menschen, die ihn hätten einrenken können, waren längst tot.

Erstes Geschlecht XIV

Eine Wiese mit hüfthohem Gras ist von grünem Urwald umgeben. Die Köpfchen der seidigen Flockenblume kratzen an meinen Schenkeln. Du schaukelst auf einer Schaukel, die an meinen Eierstöcken hängt

Vor.

Zurück.

Vor.

Zurück.

Vor.

Zurück.

Ich sehe dich, trotz der gelben Flecken vor meinen Augen. Du bist gar nicht nah. Ich will, dass du absteigst, barfuß über die Christrosen läufst, damit ich es platzen höre. Ich will Moss zwischen deine Beine kleben, wie ein Mosaik, während Libellen auf meinen Fingern landen. Ihre Eingeweide werden dieselbe Farbe haben wie die Baumstämme, die uns umgeben.

***

Baudrillard hat ein Buch geschrieben, noch bevor ich geboren wurde. Es fällt mir schwer, zu akzeptieren, dass auch die zeitgenössische Theorie manchmal schon veraltet ist. Es gibt so vieles, das ich nicht weiß.

***

Der Flughafer bleibt an der Haut hängen wie deine Hände an meinen Bedürfnissen. Vielleicht mag ich deshalb Hafermilch so gerne.

Freunde XI

Wie kannst du das alles ertragen?

Na, so halt.

Ich könnte das nie!

Aber ich habe 3600 Anschläge bekommen.

?

Gratis.