Meine Mutter willigte ungern ein
eine Dichterin zu gebären.
In der Nacht
vor den Wehen
träumte sie
von neun Dürren und einem Regen.
Die Strophen, die ich flüsterte,
ertrug sie nur schwer.
Nach dreitägiger Qual
ergriff etwas ähnlich einer Epiphanie
Mutters Fleisch und meinen Knochen.
Sie wollte vom Balkon springen.
Ganz natürlich fiel ihr ein
dass von hundert Kamelen
eins zum Rennen bereit ist.
DER ERSTE SCHNITT
In Übersetzungen liegen oft Täuschungen.
Vor etwas mehr als eintausendfünfhundert Jahren
schnitt ein Schweinezüchter in Anwesenheit eines Pfarrers
durch sieben Gewebeschichten,
entband seine Frau,
bekam einen Sohn.
Als er ihn erblickte, dachte er,
sein Durchbruch würde noch lange gefeiert werden.
So lernte er sich selbst lieben,
nichtsahnend, dass es noch heute so sein würde.
Wie einen kleinen Schmerz,
einen vermiedenen schmerz,
setzen sie mir eine große Spritze, deren Flüssigkeit sich verteilt,
sie quillt wie lebendiges Wasser im verschmutzen Raum.
Ich spüre den ersten Schnitt,
er ist wie ein Wort,
der zweite ist leichter.
Und dann sieben Mal wie eine Pilgerreise
auf der nur die wiedergeboren werden,
die auch ihre Gedanken gekreuzt haben.
Etwas oder ich werden geschüttelt.
Was?
Sage ich
und meine: Was ist los?
Der Arzt hält meinen Kopf mit der Hand
eines Siegers, er triumphiert:
Ein Junge!
GESCHLECHT UND GENUS
Rede mich mit Das an,
nie dasselbe, obwohl wir eins sind.
Ich bin die halbierte Hysterie,
in meinem Geschlecht liegt Resignation
und alles, was ihr lieber nicht hättet.
Wie gerne wäre ich eine Meereswelle
und ich wollte auch Der sein.
Ich hätte auch lebendiges Wasser sein können,
niemand brauchte ein Mädchen.
Das kratzte an mir und machte mich runter,
rede mich mit Das an.
Es ist sicherer als das Geschlecht, dem nichts leichter fällt als
schlagen, vergewaltigen, töten.
Jeder wünscht sich, keine Die zu sein.
UMSCHLÄGE
Bau mir ein Floß,
wie es die Indigenen getan haben,
um dem weißen Mann zu entkommen.
Mach mir warme Kleider,
töte den Bison, das Wildschwein,
häng mir ihre Haut um den Rücken.
Gebrochene wickeln sie in Tierhaut,
so werden wohl auch Erinnerungen gefangengenommen.
Je mehr du einwickelst,
desto mehr entwischt es dir
aus der Hand wie glitschiger Fisch.
Führ mich zur Höhle,
dort wartet die Fledermaus,
durch ihre Flügel
sehen wir den Tag.
ÜBER SCHWEIGEN UND GOLD
Schweig, sei mir ein Goldgräber.
Die Kapillare in meinen Augen platzen,
wenn von fünf Frauen keine weiß,
was Leben ohne Gewalt bedeutet.
Du sollst nicht prahlen,
das ist nichts für Frauen,
vom Hymen sprachen nur die,
die Wasserbomben zerstachen.
Schreiben
oder
verrückt werden.
Vergib auch du, die mich geboren hat,
und du, den ich geboren hab,
wegen des Wackelns,
wegen des Brotes, das uns nährt.
Vielleicht ist alles falsch eingestellt,
wie leicht einstürzende Konstruktionen,
wie Läuse im Mädchenhaar, die aufs Laken fallen,
wenn der schwarze Kamm bis zur Haut eintaucht.
So wird Gleichheit getötet,
so werden wir alle
sinnlos anwesend.
ÜBER BANGLADESCH
Hätte der Dichter nicht ein Buch geschrieben und ihm den Titel
Bangladesch gegeben,
ich hätte das bisschen Erde aus dem Blumentopf migriert und sie
Amina geschenkt.
Dort gibt es für eine Frau keine Erde.
Es gibt ein paar Häuser, die auf Frauenhände,
ihre Augen und ihre Scham achten,
nur ein paar Meter entfernt von den Häusern,
in denen Frauenkörper vernichtet werden.
2000 Frauen und 3000 Männer
bezahlen jeden Tag den Unterhalt
der Einrichtung für Mädchen, die durch den Missbrauch
von Frauenkörpern geboren wurden.
Wer soll da die Unterkunft gegenüber bezahlen?
Sie blieb im dunklen Zimmer hängen, während der Kunde
bezahlen wollte,
sie wird in der Erde des Landes liegenbleiben, das nicht für Frauen ist.
FRANZÖSISCHE DISKUSSION
Unsere Buchstaben haben Farben:
R braun,
die Strickjacke, mit der ich meine Polster verberge,
A weiß,
wie der Schnee, den ich auf Berggipfeln aß
und keiner löschte das Feuer in meinem Innern
während ich dich trug. Indem ich ihn aß, wurde ich zur Schöpferin.
J gelb,
wie ein Ei, in die Pfanne geschüttet,
das heftig brutzelt,
wie wenn deine Ohren durchstochen werden,
man dich bestimmt.
Irgendwo auf dieser Welt
muss es einen Buchstaben geben, der an Freiheit erinnert.
BLINDE PASSAGIERINNEN
Als Waisen geboren
von Ost bis West
sind wir blinde Passagierinnen
mit Schleier geboren.
Naiv reichten wir unsere Stimme,
fesselten in jedem Lächeln Mutters Gestalt.
Heute trage ich Vaters Namen.
(die Katze trägt manchmal eine Maus im Maul)
Wie du siehst, gehört mir gar nichts
deshalb frag mich, wer ich bin,
lass mich schlafen.
VON DEN LÄNDERN
Es gibt nasse Länder,
die Feuchtigkeit lässt Frauen die Zähne faulen,
doch sie tragen Lippenstift auf,
klebrig und grün,
ähnlich einem üppigen Farn
der ihnen geduldig die Luft raubt.
Es gibt auch trockene Länder:
dort schauen die Frauen aufs Objektiv und auf ihre Hände,
die Haut ist der perfekte Merkzettel fürs Dulden,
und dann gibt es noch trockene Länder.
Dort tun Frauen gar nichts,
sie haben weder Hände noch Zähne noch Objektive.
Sie schauen aus dem Fenster
und fragen sich, wie sie fliehen würden, wenn sie
mehr als eine Straße überqueren müssten.
DURCHGEZOGENE LINIE
Ich hab mich noch nie ans Steuer gesetzt,
ich mag den Beifahrersitz.
Dann fliegen die Häuser,
die Bäume stehen schief
und ich frage mich, ob es vom Wind ist
oder mein Dichterfigur so ist, dass sich
sowohl lebende als auch leblose Natur zur Seite neigt.
Ich schaue nicht gern geradeaus
da ich weiße Linien auf der Straße immer
schlimm finde,
alles, was ich fahren kann,
ist ein Kinderwagen –
ich atme tief ein und sage mir:
Du fährst geradeaus.
Ich hab nicht gelernt
meine Hände zu befreien, sie müssen weich sein
und dennoch fest die Spur halten.
Nach dem Spaziergang
brennen meine Handflächen, ich atme auf
da ich nicht jenseits des Stacheldrahts bin.
Ich bin hier und alles ist ruhig,
hier überqueren Frauen nichts als
die Straße.
Der Körper meines Kindes
hat einen goldenen Gurt,
niemand schaut es über den Stacheldraht an.
Auch ich vergesse ihn, denn sobald
ich zu Hause bin, entfährt mir ein
freier Seufzer:
AHH!
Und ich zwinge mich zu der Frage,
wie ich wohl fliehen würde,
müsste ich mehr als eine Straße überqueren.