Jedes Geräusch auf Erden gleicht einem anderen;
Messerschleifen dem Husten, Donnergrollen – dem Fall einer Eisenplatte.
Der Rhythmus zweier Tagelöhner, erkennbar wie die Uhr,
die eine Zeitlang zögert, pünktlich anzuzeigen,
doch gemeinsam, gemeinsam sind sie der Puls der Welt.
Dann die Milch, wie sie im wechselnden Strahl
im Melkeimer landet und zur Menge wird, deren Unteilbarkeit,
wirkt wie ein Webrahmen; die Pause zwischen zwei Wellen –
wie ein Gähn zwischen Kettfaden und Schussfaden.
Alles ist beschreibbar, alles so annähernd, und dennoch,
gehört die Hand, mit der du die Körner siebst, immer einem Hungrigen,
während der Satte, aus Angst vor dem Regenguss die gerade aufgehängte Wäsche beweint.
Geräusche, die Kerkermeister der Eigenschaften. Knister-knister, jemand wird
heute Nacht nicht schlafen können, nach dem Beweis,
dass sein eigenes Haar Elektrizität produziert.
Der Überlebende trägt immer das Prasseln des Feuers mit sich.
Doch der Wald, der Wald, der Wald. Darin gehen gute wilde Tiere zur Ruhe,
stumm und geheim, als könnte ein großer schwarzer Kuckuck rufen
und ihre strangförmigen blutgefüllten Körper wegschlabbern,
die kleinen Signalleuchten, die ihre Sichtbarkeit kundtun.
Daher zündet mein Vater, tief in der Eichenkrone, seine Zigarette an
und lauscht.
ESSBAR
Niemals ist das nur Nahrung.
Was da so sehr wünscht, ein Teil von mir zu werden,
muss ein eigenes Bewusstsein haben, Gipfelwert,
die zarte Stimme, die sich ziert: Iss.
Schau, die Erde: Sie hat die Taíno,
die Japoden, Daorsier und Langobarden verschlungen,
den roten Stummelaffen, all die Gnade, das Wort viel,
sogar die Schatten des Baganda-Königs, seine Nabelschnur,
als sie die Zukunft falsch geweissagt hatte,
weshalb, was wir Gott nennen,
ein Lebensmittel ist, das noch nicht an der Reihe ist.
Wird ihr Bissen der letzte sein?
Die Welt ändert sich unaufhaltsam:
Besser essbar sein als essen.
Kleiner Kiefer, doch dagegen
große wilde Tiere, deren Augen auf dem Tablett
selbst zu Samen werden.
Soll ich sie in die Ackerfurche werfen?
Niemals ist das nur Nahrung,
denn was ich schmecke, ist eingerechnet in meine Einzigartigkeit.
SIE KOMMEN UNS ZU ÜBERSCHWEMMEN
Nirgendwo steht, dass sie uns überleben werden; aber ja.
Ich sehe es in ihrer Abtauchtendenz,
der Art, wie eine glückliche Stromschnelle an die Oberfläche gelangt,
wie Sekt, nachdem man den Korken zu den Sternen geknallt hat.
Schön und selbstzufrieden, weise glätten sie den Rundkiesel,
auf dem du ausrutschen wirst.
Das klare Wasser verstellt sich nicht:
Sogar wenn sie geduldig in unsere Häuser vordringen,
tun sie das, als wollten sie nachschauen, was du hast.
Hinterlassen Dreck wie beschuhte Gäste.
Der Ort, an dem sie vertrocknet sind, ist heilig.
Der Fluss war hier einst Stütze, reine Macht,
verkörpert im Muskel der Frau die mit aller Kraft
unbarmherzig auf ein weißes Leintuch einschlägt.
Manchmal höre ich in ihren Tiefen die wunderschöne Nžeri.
Ist es wahr, Mutter, fragt sie, ja, es ist wahr. (…) Schschsch ‒ hör zu ‒
zwischen den Klippen dröhnen ihre kalten Herzen.
Es ist gut, solange es so bleibt.
Mit ihren Körpern, in die sich Schiefer graben,
erinnern sie an Urahninnen, von denen ich
Eigenschaften geerbt habe. Mut schätze ich am meisten.
Es liegt keinerlei Vorsatz in dieser Spannung:
nur unendliche Reinheit, die dich zum Atmen bringt,
nach innen.
ÄLTER ALS DER ZWEIFEL
Zuerst wurde mein sechster Sinn geboren.
Als Kind wurde ich verfolgt
vom Flüstern der Dinge, die wussten, was geschehen würde,
ihrem Intellekt, ihrer Unverhinderbarkeit,
vom Bösen in ihnen, dass ich gar nicht vorahnen musste,
denn noch bevor es eintraf, fühlte es mein Herz,
treu wie den Sonnenstand.
Ohne Dilemma sagte ich dann: Du irrst.
Als Kind konnte ich spüren
wer die Wahrheit sagte und wer log,
mir dabei direkt in die Augen sah,
denn die Physiognomie der Welt war die Antwort
auf das, was ich mich nicht zu fragen traute:
Erfahrung – das ist überflüssige Hellsichtigkeit.
Jetzt, wenn alle Geheimnisse von allein zu mir kommen,
heuchle ich Trauer, denn indem ich dir gestatte, mir weh zu tun,
habe ich mein Wissen überprüft.
AN DEN KÖRPER
Du hast dich für Beweise aufgebraucht: heute zwei Gläser Wasser,
morgen vier. In schrecklicher Vorahnung schlugst du schleppend,
als schluckte in jedem Vorhof ein weiteres Mikroherz,
das im Nu mit Kraft gefüllt werden kann.
Alles ist besser als tatenlos da zu sitzen.
Doch weißt du noch, die Wunde die sich – wie ein Kissen – zum Gewebe wendet,
reißt immer an der Hautoberfläche ihren klaffend roten Mund auf,
unempfindlich gegen weiße Blutkörperchen, und du wüsstest sicher:
Hier hatte die Seele ihre Finger im Spiel.
Das Alter hilft dir, alles Überflüssige aufzugeben;
Schatten senkt sich auf deine Augen, die Finger werden zu Reisig
in dem kaum Platz für ein Menschennest ist.
Und dennoch, wenn du an dich denkst, mein Körper,
alles, was du eigentlich wolltest, waren
zwei Wirbelsäulen.
WARM, WÄRMER
Vergeblich befindet ihr euch in Entfernung zur Sonne,
ihr werdet sie nicht für euch gewinnen;
sie ist, bei Gott, auf der Seite des Bösen.
Mirko Kovač, Gubilište [Das Schafott]
Wir haben nicht viel Zeit, Liebster. Während wir reden,
bin ich bemüht, nicht vom Licht geblendet zu werden, doch schon bald,
ewig dem Schatten hinterher, betreten wir unsere Wohnstätten,
weiße Urnen, in denen lebhaft jedes einzelne Lumen der Julisonne lodert.
Deine Hände sind zwei große Öfen und – oh, sieh mal,
mein Körper verlässt sie, sonnengebräunt und spröde.
Noch nie sah ich dich so traurig. Sogar hier,
auf eine uns ungeahnte Weise, atmen die Wunden,
und der ungeschützte Ort wird erst zu Brandresten
deretwegen du heute kein Auge zutun wirst. Hier, wo du bist,
im Garten verheimlicht ein kleiner Ahorn deine Großzügigkeit,
und winzige Düsen, die ihm die ganze Nacht ins Ohr geflüstert haben
offenbaren einen bleichen, tumorösen Hinterkopf; dank dir
hat dieser Baum einen zarten Bestattungsglanz bekommen.
Wir haben nicht viel Zeit, Liebster, schon ist Mittag,
selbst die widerspenstigsten Pflanzen schreien nach Regen. Alles geht vorbei.
Im Nu wird die Heilung deiner schmerzenden Frostbeule
eine ganz falsche Erinnerung an den Sommer sein, seinen schweren Geruch,
der den Toten nahe ist, und die Luft – wie das Zimmer – stickig
und eng.
Als hätte sie dich gehört, erlischt sie endlich, die Welt.
Nur die Dunkelheit ist trotz allem unermüdlich.