Foto: Privatarchiv

Aus dem Montenegrinischen von Elvira Veselinović

In dem, was die Welt von mir trennt,
lachen die Städte und der Himmel ist blau,
mit Wolken, müßig und faul –
Liebende am Morgen danach –
auf gestärkten Kissen,
wie sie nur meine Großmutter hatte.

Am frühen Morgen ging ich hinaus,
allein, mit ungewaschenen Haaren,
in einem schönen Mantel, den ich nur deshalb
kaufte, weil er grau war, ordentlich,
und mich acht Stunden am Tag bedeckte.

Ich mag es nicht, wenn mich jemand am Kopf
anfasst.
Noch nicht einmal mein Kind.
Sie, die alles weiß, sagte mir, es sei deshalb
weil sie ihn mir im früheren Leben abgerissen haben.
Öffentlich.
Auf meinem Kopf wächst glänzendes rotes Haar.

In dem, was die Welt und mich trennt,
während ich zur Arbeit gehe,
wenn ich kein Geld fürs Taxi habe,
wähle ich den Weg durch die Altstadt,
der zum Friedhof führt,
und genieße es, wenn mir an sonnigen Tagen
Menschen in Schwarz entgegenkommen,
in der Morgensonne, strahlend, mit Gesichtern, die glänzen
von den Tränen und der Freude, dass der ganze Tag vor ihnen liegt.

Ich gehe über die Brücke,
schaue in die Morača und denke
wie wild und armselig sie doch ist.
Sie ähnelt einer verwelkten Hure, die
mit siebzig Geld ausgibt für
Silikontitten und Porzellanzähne.
Ohne Pfefferminztee wüsste ich gar nicht, was Porzellan ist.
Silikon benutze ich im Bad für das Verkleben von Dingen.
Auch sie verklebt Dinge und riecht nach Minze.

Ich habe noch nie gehört, dass jemand von dieser Brücke gesprungen ist.

Ich komme zur Arbeit, meine linke Gesichtshälfte ist taub.
Mir fallen die roten Stühle ein, die wohl stimulierend sein sollen,
die schmutzigen Computer und meine Hände darauf.

Mir fallen fremde Hände ein,
in dem, was die Welt von mir trennt.

VERSUCH EINES LIEBESGEDICHTS

Du machtest aus mir eine Frau
deren Blut langsam fließt, wie Honig,
zeigtest mir den Ort, an dem ich vor langer Zeit
aufhörte, Sie zu sein.

Du verscheuchtest alle Pferde, die ich trieb
und wie von Sinnen peitschte,
damit sie mich umso schneller durch das tragen.
was ich für das normale Leben hielt.

Du hieltest mich an, am einzigen Rastplatz
vor der letzen Brücke
über die ich ins Land
der Frösche, Fliegen und toten Gräser gehen wollte.

Und wurdest zum Ritter aus meinem Lieblingsroman
geheimer Dichter in schwarzer Rüstung.
Fragtest mich rücksichtslos, staubig wie ich war,
verstört, ungezügelt, im Galopp angehalten:

»Ich wusste nicht, dass Feen so stark auf Pferde einpeitschen.
Ich dachte, du fliegst mit den Flügeln.
Ich traf dich unten, am Weg,
die Pferde taten mir leid.
Ich dachte, du seist eine Hexe, die sich verspätet,
die den Meister vergessen hat,
aus der Stadt flieht, um zur Versammlung zu kommen
bei der alle ihren Fußknöchel küssen werden.
Ich wollte rufen, dich runterholen,
die armen Tiere befreien.
Wir Ritter töten euch … weißt du …

Und als du vorbei gerast bist, folgte ich dir.
Dann begann es zu regnen,
der Regen wusch den schweren Reisestaub ab,
den Dreck, den du angesammelt hattest, auch den Umhang verlorst du.
Ich sah deinen Rücken, die Schultern sich biegen
beim Ziehen der Zügel, die Wirbelsäule,
deine weiße reine Haut,
auf der Regen
wie Luft unter Wasser gefangen blieb.

Wieder dachte ich, du seist eine Hexe.
Denn nur sie können den Schein erschaffen,
den Ritter durch Lust anlocken,
obwohl auch ich schon ein Jahrzehnt lang auf diesem Weg bin
müde ohne Kampf, Ergeben, Versuchungen.
Und ich wollte dich am Haar packen,
deinen Rücken küssen, und stellte mir deine Augen vor,
genau solche, in die ich jetzt schaue.
Ich wollte ein Ritter mit Erfahrung sein …

Und ich eilte dir nach.
Dann sah ich deine Flügel,
Verklebt und verdorrt unter dem Umhang
mit dem du sie verborgen hast,
wie sie den Regen trinken und glänzend werden.

Du wirst mich wecken,
und ich werde für dich den Drachen töten
und dir sein Herz bringen.
Und ich werde ein echter Ritter sein, da es mir gelang, die Fee aufzuhalten.«