… Vom feuchten Boden aus betrachtet wirkte die Straße der Schönheit der Sünde, wie sie seit neuestem genannt wird, wie ein verdichteter Raum, in dem nichts passiert. Ein paar beengte Meter Asphalt, eingerahmt von grauen Fassaden – scheinbar ein ganz gewöhnlicher Ferienort. Doch tatsächlich verbarg sich hier etwas anderes, ein Paradiesgarten voller reiner, unverdorbener Geheimnisse. Eine kleine Grünfläche zu beiden Seiten des Pfades, ein paar Büsche, präzise entlang der Kante aufgereiht, in gleichmäßiger Entfernung, zierten die wuchtigen Mauern aus jugoslawischen Zeiten und machten sie lebendig und schwungvoll.

Dennoch lag ein heftiger Gestank von Feuchtigkeit in der Luft, ein Geruch, der sich tückisch in den Nasenlöchern niederließ und durch die Poren drang wie Opium, das sich langsam im Blutkreislauf ansiedelte und Euphorie brachte. Auf dem Pfad liefen die Köpfe der Gäste benommen zu ihren Zimmern und schauten sich um, als hätten sie ein Wesen aus Urzeiten entdeckt, das sich zum ersten Mal bei Tageslicht zeigt. Der Juli ist besonders heftig. Ich sehe, wie sich ausgedünstete Tropfen an den verschwitzten Leibern vereinigen, spüre alle Hitzewellen, die von mir Besitz zu ergreifen drohen.

Während ich eine bequeme seitliche Liegeposition zu finden versuche, halte ich die oberen Ränder meines Bikinis fest. Als ich endlich einen Sandhaufen gefunden habe, der zur Krümmung meines Rückens passt, hinterlassen ein paar große Finger einen roten Abdruck auf meinen Schultern. Ein paar Meter weiter befindet sich ein Schild mit einer durchgestrichenen kleinen Figur im Badeanzug. »Am FKK-Strand ist es verboten, bekleidet zu baden«, entweicht es grob dem Mund des hageren Jungen im Security-T-Shirt.

Es ist fünf Uhr früh, mein erster Arbeitstag beginnt in drei Stunden. Ich bin in einem roten Bungalow mit der Nummer 143 untergebracht. Vom Fenster aus kann ich die Wasserkante sehen. Das löchrige Holz, behelfsmäßig mit Silikon zugespachtelt, kann sich jeden Moment in Pulver verwandeln. Ein ziemlich großes Ehebett mit blauer Bettwäsche, ähnlich der in Krankenhäusern, zeigt in die falsche Himmelsrichtung. Sofort nach der Ankunft hatte ich nach einer Ecke geschaut, in die ich es drehen könnte, da es sonst Unglück bringen würde.

Rechts ein Einbauschrank, den ich mich nicht zu öffnen traute – ich hatte den Eindruck, irgendein Monster könne mich überraschen, ein Tier, von dessen Existenz man noch gar nichts wusste, aber es befand sich genau hier, in diesem Haus, in dem ich mich vorübergehend aufhielt; noch lange würde man in den Zeitungen vom ungewöhnlichen Tod der jungen Frau berichten, die von einem unbekannten Reptil angegriffen worden war, welches nach einer gewissen Zeit zum Schutzsymbol der Ada wurde. Ich neigte dazu, mir Bilder vorzustellen, die in der Realität nie Form annahmen.

In der Mitte des Zimmers hing ein kleiner Spiegel an der Wand. Ich konnte mich darin nur spiegeln, wenn ich mich auf den Stuhl setzte, den man zuerst unterm Tisch hervorziehen musste, der ebenfalls an der Wand lehnte, mit einer riesigen Schublade, in die locker ein Mensch reingepasst hätte. Unter dem Eindruck der vorherigen Bilder vom Innenraum des Schranks fasste ich nichts an, sondern betrachtete alles nur, obwohl ich wusste, dass ich schon bald Dinge aus dem Koffer holen musste, um sie im Zimmer zu verteilen. Mein Aufenthalt würde lang genug sein, um alles zu brauchen, was ich mitgebracht hatte. Ich musste ans Fenster gehen. Der Schmutz schützte den Innenraum vor allem, was draußen war und hatte sich schon so lange auf den Fenstern abgesetzt, dass selbst die Sonne nicht mehr ins Innere gelangte. Ich kam nah genug heran, um den Schmutz mit meinem Gesicht zu berühren, sodass alle Striche, Punkte und Schlitze, aus denen das Mosaik des unansehnlichen Rahmens bestand, einen Abdruck auf meinem Gesicht entstehen ließen, die kein Wasser mehr abwaschen konnte. Ein unangenehmes Quietschen begleitete jeden Versuch, den morschen Holzrahmen von der Fensterzarge zu trennen. Wer weiß, wie lange es schon nicht mehr geöffnet worden war. Ich sehe einen riesigen Baum, der sich in alle Richtungen verzweigt und wie ein Wächter aussieht, immer wach und kampfbereit. Nach einem kurzen Tagtraum steige ich die Wendeltreppe hinunter, mein Fuß bleibt zwischen zwei Brettern hängen; beim Versuch, mich zu befreien, strenge ich meine Augen an. Die Dunkelheit absorbiert jeden Lichtstrahl. Ich lasse mich von den Sprüngen des winzigen Frosches leiten, der sich vor mir im Haus niedergelassen hat, und schaffe es, zur Tür zu gelangen. Ich gehe einen schmalen Weg zwischen roten Dächerreihen entlang. Sie sind über fünfzig Jahre alt, einige sind noch gut erhalten. In der zweiten Reihe fehlt den meisten eine Scheibe oder ein Teil der Fensterbank. Die Nummer 143 ist in der vierten Reihe. Für Gäste war es noch nie gut genug, und das Personal, das darin abstieg, störte sich offenbar nicht an dieser Schachtel von einem Zimmer, den Dachschrägen, die den Raum einengten. Das weiche Gras im Schatten der Bungalows ist voller Touristen, die schon im Morgengrauen montenegrinischen Wein genießen. Ein unerträglicher Gestank trifft die Nase, von Moder und Aas, der sich in Geist und Leib ansiedelt und mit dem Haus 139 zusammenhängt, das schon lange nicht mehr vermietet wird. Die Gäste in der ersten Bungalow-Reihe sind angeblich reinlicher und fühlen sich vom Gestank der Kanalisation besonders gestört. Mir wurde ein Bereich von 25 Zimmern zugeteilt. Die sogenannte »Sieben« ist der Teil gegenüber der Restaurant-Terrasse. Ich konnte noch nicht einmal ahnen, wie abgelegen und gespenstisch es tagsüber war, wie finster die Zimmer mit den noch dunkleren Einbaumöbeln wirkten. Ich arbeite alles der Reihe nach ab, dabei treffe ich vereinzelte Gäste in den Zimmern an; sie nehmen mir nichts übel, manche mögen es sogar, wenn ich da bin und ein bisschen putze. Im Zimmer 175 bin ich allein. Der Geist des Sozialismus wohnt im Raum. Überall vernimmt man den Duft vergangener Zeiten, Feuchtigkeit, die sich in den Kommoden eingenistet hat, uralte Wände, die jedem Erdbeben getrotzt haben, breiten sich aus in Richtung Wasser. Ich ziehe am losen Gurt des Rollladens und habe direkt ein ganzes Bilderbuch aus den Achtzigerjahren vor Augen. Gelbe, entblößte Körper, wie Staub auf der Wasseroberfläche verteilt, in Ermangelung von Tiefe scheinen sie auf der Oberfläche zu gehen. Vom Horizont her strahlt und blendet es. Der Randstein der Terrasse verwandelt sich augenblicklich in eine Brücke, die mich und die Postkartenwelt für immer trennen wird. Man musste nur einen Schritt machen, den Fuß in den heißen Sand sinken lassen, schon war man gebacken wie der orangefarbene Ziegelstein eines gut gebauten Hauses. Auf dieser Seite sahen die Leute glücklich aus. Als ich klein war, überquerte ich zum ersten Mal die Bojana-Brücke. Ich erinnere mich nicht an die Details, nur an das hohe, blaue Wasser auf beiden Seiten der Brücke und an Papa, der die Stones immer an der gleichen Stelle voll aufdreht, wenn wir in der Kurve ankommen, die bedeutet, dass wir uns auf Inselgebiet befinden. Ich erinnere mich auch an einen Schakal, der unseren Weg kreuzte, und an eine rote Schlange, die sich vor dem Vorderreifen zusammengerollt hatte. Später fand ich heraus, dass die Schlangen europaweit geschmuggelt werden. Touristen glauben immer noch, dass dies eine Oase der Ruhe ist. Manchmal glaube ich das auch. … Um halb zwei ist Mittagspause. Im ersten Monat ging ich regelmäßig in die Kantine. Manchmal machte ich mir auch etwas Gesundes zu essen, mit dem Vorsatz, meine guten Gewohnheiten beizubehalten. Die Zeit verbrachte ich im Pausenraum für Zimmermädchen. Da waren wir alle versammelt, Alt und Jung, im berühmten Zimmer 155, der Brutstätte von Geheimnissen und Intrigen, dem Nest von Unmoral, Tränen und nie erzählten Geschichten, die doch irgendwie immer ans Tageslicht gelangen. Alle schmutzigen Schichten weiblicher und männlicher Schalen erleben ihre Epiphanie in der 155 – hier fallen alle Masken und Kleidungsstücke, weshalb die Köpfe beim ersten Untertauchen der Sonne demütig gesenkt werden und schnell das Zimmer verlassen, damit keiner die Schande sieht oder hört, welche die unvorsichtigen Liebhaber ereilt hat. Und irgendjemand hört und sieht immer alles. Die meisten Kolleginnen arbeiteten hier schon seit dreißig Jahren, bei denen bestand die Mittagspause eher aus Kaffee, Zigaretten und ihren Anekdoten. Den übrigen Teil des Arbeitstags verbrachten wir damit, einander beim Zurechtmachen derjenigen Zimmer zu helfen, die wir vor der Mittagspause nicht geschafft hatten. Wir waren zu acht, vier Saisonarbeiterinnen und das Stammpersonal, das in diesem Zimmer wie zu Hause war. Sie hatten die besten Jahre ihres Lebens hier verbracht, ihre Männer kennengelernt, Kinder gezeugt, das war ihr einziges Fenster zur Welt. Ich bewunderte sie dafür, bis ich begriff, dass dieses Fenster ziemlich klein war und seine Begrenztheit gefährliche Folgen mit sich brachte. In einem derart geschlossenen und engen Raum bahnen sich Schwermut und Verderbtheit immer einen Kanal. … Das Bier mit Hamza war immer noch ein Letztes, im Stehen. Erneut, wie so oft zuvor, stand ich wieder auf und wollte nach Hause gehen. Als ich beim Bungalow ankomme, wird es schon dunkel, doch es gibt noch genug Tageslicht, um die Spinnweben an den Säulen zu erkennen. Ich gebe mir noch etwas Zeit, bevor ich dem Innenraum wieder begegne, weshalb ich mich zunächst auf den Betonwürfel vor der Tür setze und dem sanften Wind erlaube, mir das Haar zu zerzausen. Ich spüre, wie die winzigen Kieselsteine an meinen Oberschenkeln scheuern. Nur noch ein bisschen. Die ersten paar Tage fiel es mir sehr schwer, mich an das marode Badezimmer zu gewöhnen. Ich hab wohl fünf Flaschen Bleiche verbraucht in der Hoffnung, Schimmel und Rost beseitigen zu können, die sich seit Jahren im Klo und Waschbecken angesammelt hatten. Der Spiegel war dauerhaft trüb, sodass ich mich nie genau darin erkennen konnte. Der Frosch, der mir zuvor den Ausgang gezeigt hatte, hatte es bis zur Toilette geschafft, wahrscheinlich war er durch die Ritze unter der Tür gekrochen – wer weiß, wie viele Löcher es hier noch gab, durch die alle möglichen Tiere kriechen konnten. Der Gedanke daran bereitete mir Unbehagen. Ich schaute ihm eine Zeitlang zu, ganz verzückt durch seine eingefrorene Pose, als wäre er eine Skulptur im Museum. Die grünen Schlangenlinien mit braunen Punkten und der kleine Kreis im Augenwinkel – ich bildete mir ein, ihn daran erkennen zu können, in einem Haufen anderer Frösche, die versuchen würden, mein Zimmer zu besiedeln. Ich wurde unruhig, zog mir den ersten Bikini an, den ich aus dem Koffer ziehen konnte, und ging zum Strand. Die 143 war ein paar Meter vom wilden Strand entfernt, was ich ganz in Ordnung fand, wenn man meine Erfahrung mit dem FKK-Strand bedachte. Der Weg durchs hohe Gebüsch war nur mit Mühe passierbar, doch schon bald berührten meine Füße Sand. Meine Beine wurden schwer im trockenen Gras und heißen Kies. Ich zog meine Badelatschen aus, meine Füße brannten, weshalb ich mir schnell eine Stelle suchte, um mein Handtuch auszubreiten. Zuerst fand ich eine sanfte Steigung, die das Meer fürs Erste verbarg. Man sah nur Zweige zu beiden Seiten und einen weiteren schmalen Weg im Dickicht. Es wirkte, als verenge er sich immer mehr, als könnten nur eine Katze oder ein Kind hindurchpassen – aber auch nur, wenn sie den richtigen Moment abpassten. Der Weg führte zum alten Teil, wo noch mehr Bungalows standen, andere als meiner. Jahrelang waren dort nur Ruinen, schwarze Löcher, vom Gras aufgefressen, ein Tummelplatz für Schlangen und Insekten, ein Raum, der einem Härtetest gegen die Zeit ausgesetzt war. Dabei brauchte es so wenig: etwas guter Wille und ein paar schwarz gestrichene Bretter; Marta und ich könnten den Dreck wegmachen, der sich von überall auf der Insel ausgerechnet hier zu sammeln schien, sich ablagerte, sich zwischen den festen Konstruktionen aus Stahlbeton versteckte. Oder vielleicht, wenn das Meer wild würde – was ja durchaus vorkam – und dabei half, die Gifte dieser hohen Bauten wegzuspülen, da es schade wäre, zuzulassen, dass sie sich in einen Haufen Bauschutt verwandelten. Ich drehe den Kopf und gehe weiter über den Hügel zum Wasser. Ich betrete ein Bild von John Al Hogue, der Lichtmeister, der die Sonne aufdreht, die Linien goldener Strahlen gelangen zu den Augäpfeln, der runde Kopf der Sonne umfasst mein ganzes Gesicht – ich fühle mich wie im Kessel der Stiefmutter von Hänsel und Gretel, wie vor dem jüngsten Gericht, wo man mich foltert, bevor man mein Strafmaß bestimmt. Nur noch ein bisschen nach vorn – es kommt auf den richtigen Winkel an. Meine Ferse versinkt im sandigen Loch. Ich bücke mich unterhalb des Sonneneinfalls, dort hockt das riesige Blau des Wassers. Die Himmelsnuancen vermischen sich mit dem Weiß und stören meine blaue Meereslinie. Ich stehe da wie eine Oma, die bisher nur im Fernsehen vom Meer gehört hat. Die glückserfüllten Augen können sich nicht an so viel Licht und Farbe gewöhnen, freudig breite ich die Hände im flachen Wasser aus, wo einige Nudisten mit ihren nackten Hintern planschen. Sie denken wohl, sie seien der Anlass meiner Freude, weshalb sie alle fünf Finger heben und mit dem Hintern hin und her schaukeln. Ich erwidere, indem ich den Saum meines Kleides im Salzwasser tränke. Ich berühre das Wasser mit den Fingerspitzen, um festzustellen, wie kalt es ist, dann lecke ich meine Fingerkuppen ab. Der Salzgehalt ist hoch, der Fluss reicht nicht bis hier, erst dort bei der Mündung mischen sich Salz- und Süßwasser und bilden Strudel, die einen im Nu mitreißen können. Ich wollte nicht darüber nachdenken, denn gerade bin ich im Paradies und habe noch viele Leben. Ich kehre zur Wärme der winzigen Punkte zurück, mache eine Kuhle für mein Handtuch und lasse meinen Körper in das individuell angepasste Loch sinken, um mich an der Umgebung zu laben, bis zum Sonnenuntergang, wenn die erhöhte Temperatur meines verbrannten Körpers durch ein kaltes Bier im Maestral-Strandrestaurant geheilt werden wird, dem FKK-Strandrestaurant. Der wilde Strand ist für alle da, egal ob in Badekleidung oder ohne. Alt und Jung stolzieren umher, eine Mischung aus faltigen Körpern und aufkeimenden Knospen, aus Paaren und Singles. Es herrscht das Gefühl, vor, in der eigenen Haut zu stecken sei etwas Angenehmes. Herabhängende Bäuche und Brüste, rissige Haut in Schlangenlinien auf der Rückseite der Oberschenkel, orangefarbene Sommersprossen und Schamhaare, dieser intimste Teil der Haut, der sonst in der Dunkelheit der Unterhosen verborgen bleibt, sind für jeden sichtbar. Es ist ihnen egal, sie schauen geradeaus, die anderen sind nur Punkte, wie auch der Sand, auf dem ich sitze. Ich fühlte mich nicht unwohl. Es ist aufregend, eine hundertprozentig natürliche Umgebung ohne einen Hauch von Erotik zu beobachten, den Anschein von Einsamkeit an einem vollen Strand. Zum ersten Mal im Leben hatte ich keine Angst vor den Blicken auf meinem leicht bröckelnden Tempel aus Knochen und Fleisch. Ich stütze mich auf die Ellbogen, strecke das eine Bein aus, das andere knicke ich ein. Ich schaue wie ein hinter einer Sonnenbrille lauernder Voyeur. Im weißen Kunststoffgestell spiegelt sich eine große männliche Figur. Ich bin mir nicht sicher, ob sie durch die Brillengläser oder von der langen Sonneneinstrahlung so dunkel wirkt. Ein etwa dreißigjähriger Mann, als wäre er gerade erst geboren worden, als hätte er gerade erst den Bauch seiner Mutter verlassen und wäre direkt aus dem Mutterleib in die Arme der Hebamme gelangt. Er ist den Händen ausgeliefert, die seinen nackten Körper umherwerfen, und geht mit ausgestreckter Brust, geradem Rücken und Muskelballen auf den Schultern. Haare so schwarz wie Onyx – eine Farbe, die zu diesen verfallenen Bungalows passt – die Augen zusammengekniffen wie beim Niesen, sodass ich nicht einmal die Wimpern sehen kann, nur zwei Schlitze, hinter denen sich eine unbekannte Welt befindet. Sein Gesicht ist scharf, als wäre es nachlässig mit einem Bleistift der Härte B gezeichnet. Er kommt auf mich zu. Wir stehen ein paar Meter voneinander entfernt. Es kommt mir vor, als hätte sich der ganze Sand plötzlich angesammelt und den Strand verkürzt, die Oberfläche des Geländes ist keine endlose Wüste mehr, sondern ein Schachbrett für nur zwei Figuren. Mit dem Rücken zugewandt steht er da. Ich beobachte das Relief seines Rückens, auf dem die Weltkarten eingezeichnet sind, den festen Mittelpunkt, in dem sich die Formen verändern. Ich gehe in den Schneidersitz und bin fasziniert von diesem Wesen, das sich bei nüchterner Betrachtung durch nichts von den vielen anderen unterscheidet, die hier um mich herum wabern. Die Sonne steht bereits sehr hoch und macht die Temperatur unerträglich. Gefangen in der Hitze geschwollener Haut, mit getrübter Sicht vom Sonnenöl, Lichtschutzfaktor und Schweiß, spüre ich, wie mein Gehirn zu Brei wird. Dieser brodelnde, unreine Geisteszustand lässt mich denken, dass dieses Wesen im Ring eines einzelnen Energiefeldes steht und eine Schwingung verströmt, die eine Gruppe von Farben zwischen Lila, Orange und Blau ausstrahlt. Und dann ein unerwarteter Blitz, das Wesen dreht sich zu mir um und öffnet die Augen, aus denen ein Bündel gelber Linien hervortritt wie aus den Lichtschwertern von Sci‑Fi‑Helden. Ich denke mir, dass es überhaupt keinen Sinn hat, zwischen nackten Omas und Opas herumzustolzieren. Ich kann nicht nachvollziehen, wie er sich da wie so ein Model zwischen den nackten alten Leuten windet. Das Bild zerfließt vor meinen Augen, und ich möchte einfach nur den Zustand des inneren Friedens wiedererlangen, denn deswegen bin ich hier. Er bringt Unruhe und Verwirrung. Wie ein zufällig gestrandetes Schiffswrack, vom Meer unter die Badegäste geworfen…